Zielsetzungen und Parallelen der untersuchten Reformbewegungen

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Medienaktionen
  • hochgeladen 30. Januar 2018

Zielsetzungen und Parallelen der untersuchten Reformbewegungen
 
Die anfängliche Auflehnung gegen die herrschende europäische Dominanz wandelt sich bei Muhammad ʿAbduh allmählich zu einem aktivistischen Denkmodell, das den Menschen als handlungsfähig anerkennt und ihn zu einem selbstbestimmten Agieren ermutigt. Fortschreitende sowie parallel verlaufende Entwicklungsstränge setzen zwar weitgehend an der Tradition ʿAbduhs an, jedoch erfährt die ursprüngliche Zielsetzung durch gesellschaftliche sowie globale Veränderungen einen signifikanten Wandel.
 
 
Prof. Dr. Pink: Es geht natürlich nicht nur um Feindbilder bei Muhammad ʿAbduh. Gerade seine späten Schriften zeigen, dass er sich mit der britischen Besatzung abgefunden hat. In den Schriften geht es dann vielmehr darum, die Gesellschaften mit dem Ziel weiterzuentwickeln, dass sie irgendwann aus sich heraus so weit und so stark sind, dass sie die britische Präsenz einfach nicht mehr benötigen. Darüber hinaus auch viel, was man seiner Ansicht nach an europäischen Gedanken entlehnen sollte. 
Muhammad ʿAbduh stirbt im Jahr 1905 und mit seinem Tod ändert sich dann auch ganz stark der Gehalt der Refomidee ʿAbduhs. Dies geschieht vor allem durch einige seiner Schüler, vor allem durch Rashīd Riḍā, der noch bis Mitte der 1930er Jahre lebt und die sehr einflussreiche Zeitschrift al-Manār herausgibt. Riḍā behauptet, dass sich die Zeitschrift auf Ideen von Muhammad ʿAbduh stützt, obwohl es in Wirklichkeit vor allem seine eigenen Ideen sind, die er darin veröffentlicht.
Der ganz große Bruch kommt dann mit dem Ersten Weltkrieg. Nach dem Krieg besteht die Hoffnung, dass der Imperialismus zu einem Ende kommt und unabhängige Staaten entstehen werden. Dies tritt jedoch in den meisten Regionen der islamischen Welt nicht ein. Im Gegenteil, es gibt Mandate, Protektorate oder auch direkte Kolonisierung.
Diese Entwicklung führt dann dazu, dass Ende der 1920er Jahre islamistische Bewegungen, wie vor allem die Muslimbruderschaft, entstehen. Deren Anhänger greifen viel von den Ideen auf, die sich schon zum Teil bei Muhammad ʿAbduh und Ǧamāl al-Dīn al-Afġānī und auch ganz stark bei Rashīd Riḍā finden, aber sie heben diese auf eine neue Ebene. Es geht nun auf einmal darum, die Massen anzusprechen. Diese Idee entstand auch unter dem Einfluss von Massenbewegungen aus Europa, wie dem Faschismus und dem Kommunismus. Islamistische Bewegungen streben nun danach, dass das Volk das System, welches die imperiale Herrschaft trägt, von unten herauf umstürzt. Dies wird häufig noch mit der Idee eines Führers als leitende Rolle verbunden.

 
Ein weiterer, neuer Leitgedanke, der mit Rashīd Riḍā aufkam, war die Konzentration auf Saudi-Arabien, das einzige Land der arabischen Welt, das nicht unter Kolonialherrschaft stand. Dadurch bekommt Saudi-Arabien ab Ende der 1920er Jahre auf einmal eine ganz besondere Bedeutung zugeschrieben. Die Saudis stehen als die unabhängige arabische Macht da und dieser Umstand macht auch ihre religiösen Ideen attraktiv. 

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Referent/in: Prof. Dr. Johanna Pink

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