Chomeini und Hussein – differenzierte Heroisierungsstrategien

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Medienaktionen
  • hochgeladen 30. Januar 2018

Chomeini und Hussein – differenzierte Heroisierungsstrategien
 
Saddam Hussein und Ruhollah Chomeini bedienen sich während der Konsolidierung ihrer politischen Systeme an durchaus unterschiedlichen Heroisierungs- und Stilisierungsstrategien. Herr Gölz erkennt in der Vorgehensweise Husseins eindeutig eine Form des Personenkultes, während Chomeinis Status viel stärker in Verbindung mit der Bevölkerung zu verstehen ist.
 
 
Olmo Gölz: Chomeini hält seine Predigten und er spricht zum Volk. Saddam Hussein ist dem Volk ferner. Er spricht nicht zum Volk, sondern er lässt sprechen. Wenn wir jetzt auf die Personen schauen und uns fragen, was wird damit am Ende transportiert, sind wir wieder sehr dicht beim Heroischen und auch bei der Frage, welche Regime aus dem Krieg und durch den Krieg entstanden sind.
Dadurch können wir nachvollziehen, so wäre eine These von mir, dass auf der einen Seite im Irak eine Verdichtung auf die Person Saddam Hussein stattfindet. Das heißt, am Ende des Krieges gibt es schlichtweg genau einen Helden und das ist Saddam Hussein. Es bestehen natürlich immer noch Diskurse zum Heroischen, aber es verdichtet sich auf den Personenkult Saddam Hussein. Auch wenn er nicht ständig zum Volk spricht, ist er dennoch ständig präsent. Er ist als Vorbild präsent, er ist auf Mauerstücken visuell präsent, er wird die ganze Zeit präsentiert, auch wenn er selbst nicht spricht. Er wird auch selber wiederum präsentiert in heroischen Diskursen, die den Irakern bekannt sind oder bekannt sein sollen. Weiterhin stilisiert er sich selber von seinem Auftreten her entweder als Nachfahre Saladins oder als Nachfahre Nebukadnezars II., der babylonische Großkönig.
Auf der anderen Seite spielt natürlich Ruhollah Chomeini immer eine große Rolle in Iran, er ist ja der Revolutionsführer. Aber die Diskurse zum Heroischen werden deutlich weiter ausgefächert. Jeder kann ein Held sein, vor allem weil der schiitisch aufgeladene Märtyrerethos in Iran eine größere Rolle spielt. Das heißt jeder wird als Held gefeiert, wenn er beispielsweise stirbt, in den Tod zieht und folglich dem Leben entsagt für seine Gruppe. So wird im Laufe des Krieges –  und nun folgt meine etwas gewagte These der Diskurs von Chomeini losgelöst. Über die Analyse der Diskurse zum Heroischen lässt sich dieses Thema schließlich nachzeichnen.

 
Am Ende des Krieges ist auf der einen Seite der Personenkult um Saddam Hussein. Auf der Seite des Iran steht eben nicht der Personenkult, obwohl Chomeini natürlich verehrt wird, aber es ist ein ausdifferenziertes System, in dem der Märtyrerethos in den Mittelpunkt rückt. Dieser Diskurs trägt sich tatsächlich auch bis heute fort. Die islamische Republik Iran ist ein ungebrochener und bis heute funktionierender stabiler Staat, in dem natürlich ständig Debatten, auch über die Frage nach der Erinnerung des Krieges, stattfinden, aber der in seiner Form, so wie er heute existiert, doch als Ergebnis dieses Krieges zu bewerten ist. 

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Referent/in: Olmo Gölz

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