Sa-Uni WS23.24 (10) Schaefer

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  • hochgeladen 15. Januar 2024

Prof. Dr. Hans-Eckart Schaefer (Pathologisches Institut, Universitätsklinikum Freiburg)
Wohl und Wehe gesunden Weingenusses

Wein mag zu den ältesten Quellen von Alkohol zur glücksempfindenden Stimulation mesolimbischer Hirnzentren rechnen. Da die Vergärung von Traubenmost durch Saccharomyces zu Wein ein komplexes, zumal unter Sauerstoffeinfluss labil verderbliches und dann nicht immer schmackhaftes Produkt liefert, haben sich in einer mehr als 2000-jährigen Tradition Techniken zur Konservierung, Affinierung, ja schließlich auch toxischen Denaturierung etabliert. Beispielhaft hervorgehoben sei der von Plinius dem Älteren († 79) und Lucius Iunius Moderatus Columella (kontemporär) empfohlene Zusatz von Sapa, einem mit Blei angereicherten Traubensirup, um sauren Wein zu versüßen und durch den Bleigehalt zugleich haltbar zu machen. Deutsche Übersetzungen von De Re Rustica sind als land- und weinwirtschaftlicher Leitfaden bis mindestens 1769 gedruckt worden. Nachdem die oft verwirrende Symptomatik chronischer Bleiintoxikationen – Saturnismus – nicht mehr zu übersehen war, fanden als Ersatz bis in die Gegenwart diverse Chemieprodukte von Frostschutzmitteln bis zu Nematiziden ihren Weg in den Wein, heute weitgehend ersetzt durch wohl unbedenkliche Sulfite. – Abseits von den nun weniger relevanten toxischen Zusatzstoffen muss jede Evaluation des dem Weingenuss innewohnenden Gefährdungspotentials die reine Alkoholwirkung berücksichtigen. Die Manifestationen akuter oder chronischer Alkoholschäden präsentieren sich überaus heterogen, abhängig von Dauer und Dosis, vor allem aber auch von sehr variablen individuellen Toleranzspektren. – Im Extrem sind Feten enorm vulnerabel, weswegen schon geringste Alkoholbelastungen während der Schwangerschaft FAS (lebenslang behinderndes Fetales Alkohol-Syndrom) verursachen können. – Die Effizienz der den Äthanol-Abbau besorgenden Leberenzyme unterliegt einer polymorphen genetischen Steuerung, deren Wirkung u.a. von Geschlecht und Rasse beeinflusst ist und u.a. mindere Alkohol-Toleranz bei Frauen und gewissen ostasiatischen Ethnien erklärt. – Auch sog. Komorbiditäten, z.B. die hereditäre Hämochromatose (angeborene Neigung zur Eisenakkumulation bei Trägern gewisser Normannen-Gene), oder Situationen einer gestörten Inaktivierung von Sauerstoffradikalen steigern die Alkoholempfindlichkeit. – Umgekehrt kann Weingenuss insofern gesundheitsfördernd sein, als bestimmte Inhaltsstoffe des Weines die Resistenz gegenüber atherogen wirkendem oxLDL (oxidiertes Low density lipoprotein) fördern und so das „French Paradox“, also eine geringere Inzidenz von KHK (Koronare Herz-Krankheit) bei französischen Rotweintrinkern, erklären. – Bei Beachtung unserer individuellen Risikoprofile mögen wir der psychisch wohlwollenden Bewertung durch Goethe folgen:
                         Daß aber der Wein von Ewigkeit sei,
                         Daran zweifl‘ ich nicht;
                         Oder daß er vor den Engeln geschaffen sei,
                         Ist vielleicht auch kein Gedicht.
                         Der Trinkende, wie es auch immer sei,
                         Blickt Gott frischer ins Angesicht.

Referent/in:

Prof. Dr. Hans-Eckart Schaefer (Pathologisches Institut, Universitätsklinikum Freiburg)


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