Mann 150 SoSe 25 (13) Kablitz

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Prof. Dr. Andreas Kablitz (Universität zu Köln)
Thomas Manns Satyrspiel: Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull

Bekenntnisse sind eine altehrwürdige Gattung der europäischen Literatur. Ihren Modellfall bilden die Confessiones des Kirchenvaters Augustinus, der darin die Geschichte seiner Konversion erzählt. Jean-Jacques Rousseau wird ihnen am Ende der Aufklärung seine Confessions gegenüberstellen, die in säkularisierter Weise Rechenschaft über sein Leben geben sollen. Augenscheinlich auf diese literarische Tradition nimmt Thomas Mann Bezug, wenn er seinem letzten Roman den Titel Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull gibt. Aber welche Botschaft hält dieser Titel für den Leser bereit? Handelt es sich um die Confessiones dessen, der sich von seinem Laster zu befreien vermochte und nun von der Warte eines Ehrenmannes über sein als verfehlt erkanntes früheres Leben schonungslos Auskunft gibt? Oder sind es offenherzige Worte eines Mannes, der weiß, dass er sich von seinen fatalen Neigungen nicht befreien kann und sich deshalb zu seinem Hochstaplerwesen nicht nur bekennt, sondern zugleich in seinem Lebensbericht eine anschauliche Schilderung davon zur Darstellung bringt? Hätten wir es womöglich mit dem Text eines reuigen Bekenners zu tun, der sich um der Distanzierung von seiner üblen Vergangenheit willen zur freimütigen Schilderung seines bedenklichen Lebensweges entschlossen hat – und der gleichwohl, ohne es zu bemerken, nach wie vor seinem hochstaplerischen Wesen anheimfällt? Die Abgründigkeit des Titels bietet einen Vorgeschmack auf die zahllosen Unwägbarkeiten, mit denen dieser Roman aufwartet, um das Bild einer zutiefst abgründigen Welt zu zeichnen, in dem sich schwerlich Gewissheiten gewinnen lassen. Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull sind ein zutiefst skeptischer Roman. Sie sind das Dokument einer heiteren Skepsis, die einen versöhnlichen Blick auf die rätselhafte Welt wirft.

Referent/in:

Prof. Dr. Andreas Kablitz (Universität zu Köln)