Freiburger Wintervorträge WS 20.21 13 Henningsen

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Medienaktionen
  • hochgeladen 18. Januar 2021

JunProf. Dr. Lena Henningsen (Institut für Sinologie)
Zwischen Freiheit und Kontrolle: Praktiken des Lesens und Schreibens während der chinesischen Kulturrevolution

Die chinesische Kulturrevolution (1966-1976) gilt nicht zu Unrecht als eine Epoche massiver Gewaltausübung und Medien- und Literaturkontrolle. In meinem Vortrag werde ich den Blick auf tatsächliche Praktiken des Lesens und Schreibens lenken: Neben den Werken von Mao Zedong erfreute sich insbesondere Le Comte de Monte-Cristo von Alexandre Dumas einer großen Leserschaft. Als inspirierend beschreiben Zeitzeugen Texte wie Jack Kerouacs On the Road oder William Shirers The Rise and Fall of the Third Reich – beides Bücher, die eigentlich verboten waren und nur als interne Publikationen den Kadern der Kommunistischen Partei zur Verfügung standen. Und während das offizielle Publikationswesen weitgehend zum Erliegen gekommen war, florierte in ausgewählten Zirkeln das literarische Leben in Form von literarischen Salons. Unterhaltende Novellen und Romane zirkulierten als handschriftliche Manuskripte im ganzen Land. Kriminal-, Spionage- und auch Liebesgeschichten, die mit den literarischen Normen der Zeit nicht übereinstimmten, wurden von (meist) anonymen Autoren verfasst und von anderen gelesen und abgeschrieben. Dadurch wurden die auf fragilem Papier niedergeschriebenen Geschichten erhalten und sie konnten weit zirkulieren – dadurch veränderten sich die Geschichten aber auch, da die Kopisten kreative Eingriffe in die Texte vornahmen. Die Kulturrevolution, so zeigt sich, ist damit keinesfalls eine monolithische Epoche. Grassroots-Praktiken verweisen auf die Vielzahl von Erlebnishorizonten und Deutungsmustern und auf den kreativen Umgang mit der von oben verordneten Kontrolle und Zensur: Leser und Autoren in China strebten nach literarischer und intellektueller Vielfalt – auch unter Gefahr für Leib und Leben. Damit bereiteten sie einer Vielzahl von literarischen und intellektuellen Entwicklungen den Boden, die allgemein der Zeit nach dem Ende der Kulturrevolution zugerechnet werden.

Referent/in:

JunProf. Dr. Lena Henningsen (Institut für Sinologie)


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